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Kleine Kinder, großes Abenteuer - Packraften als junge Familie

All unseren Lesern zunächst ein gesundes, aktives und erfolgreiches Jahr 2015! Mögen alle Träume und Pläne sicher in Erfüllung gehen.


Wir beginnen das Jahr mit einem weiteren Gastbeitrag. Diesmal stammt er von Juliane zum Thema Packrafting mit Kindern
Seit etwa drei Monaten ist sie mit ihrem eigenen Blog "mit-sack-und-packraft.de" unterwegs und berichtet dort über eine Fülle von von Touren mit ihrer Familie. Diese Erfahrungen möchte sie gern mit uns teilen:

Seit vielen Jahren sind wir begeisterte Outdoorsportler. Unsere Trekkingtouren haben uns an Ziele wie Schottland, Island und Grönland geführt, wo wir unvergessliche Momente erlebt haben. Schneeregen, Sturm, durchfrorene Nächte, nichts konnte uns von unserem Hobby abhalten. 
Zelten in Grönland

Und dann kam das erste Kind, so ein verletzliches kleines Wesen, so empfindlich (und so laut ;-))… Trekking, Zelten, Wildnis, all dies schien mit einem Mal in unerreichbare Ferne gerückt - nicht zuletzt aus logistischen Gründen.

Von ersten Gehversuchen zu großen Unternehmungen








Trotz allem haben wir unsere Outdoor-Ambitionen nicht so leicht aufgegeben und uns schon bald wieder an erste kleine Touren gewagt: kurze Wanderungen oder Radtouren, im nächsten Sommer ein paar Nächte im Zelt, später sogar eine 5-tägige Wanderung von Hütte zu Hütte in den Alpen. Und siehe da, es klappte alles wunderbar, oft sogar besser als der Alltag, und wir haben als Familie sehr von diesen Unternehmungen profitiert.


Limitierender Faktor blieb allerdings immer das Gepäck (umso mehr als dann das zweite Kind kam), so dass an längere Touren mit Zelt erst einmal nicht zu denken war. Das brachte uns schließlich zum Paddeln, denn mit einem Boot kann man viel transportieren und kommt trotzdem raus in die Natur, fern von Straßen und Infrastruktur.

Im Sommer 2013 machten wir dann also - inzwischen mit zwei Kindern im Alter von 4 und 1 - endlich wieder eine große Outdoor-Tour: knapp drei Wochen im Canadier auf dem Saimaa-Seengebiet in Südfinnland. Und es war großartig! Endlich wieder freie Natur, Zelten, Lagerfeuer. Die Kinder waren genauso begeistert wie wir und genossen die Zeit in vollen Zügen.

2013 - Paddeln auf dem Saimaa-Seengebiet

Da lag es natürlich nahe, uns ein eigenes Boot zuzulegen und die Wahl fiel auf zwei Zweier- Packrafts.

Nach ersten Geh- (oder eher Schwimm-) versuchen auf heimischen Gewässern wagten wir im Sommer das ganz große Abenteuer: eine 3,5-wöchige, weitgehend autarke Paddeltour durch die Wildnis Finnisch-Lapplands - nachzulesen hier.

Packraften: Was geht mit Kleinkindern?

Die Antwort ist: erstaunlich viel! Nur eben auch: ganz anders als man es gewohnt ist. In unserem mittlerweile mehr als fünfjährigen Elterndasein haben wir einen weiten Weg zurückgelegt. Wir haben viel ausprobiert, viel falsch gemacht aber auch viele gute Lösungen gefunden. Natürlich werden sich die Herausforderungen und Lösungen von Familie zu Familie unterscheiden, es kommt immer alles auch auf Alter und Charakter der Kinder, Interessen und eigene Fitness an, aber vielleicht helfen die folgenden Tipps für große Touren mit kleinen Kindern dem Einen oder Anderen doch weiter.

1.Vorbilder suchen

Als Erstlingseltern kann man sich ja meist nicht retten vor gut gemeinten Ratschlägen und die meisten werden von ihrem Umfeld nur Unverständnis ernten, wenn es um das Thema Outdoor mit Kindern geht. Da gibt es einem irrsinnig viel Mut und Auftrieb zu sehen, das vieles, das unmöglich scheint eben doch möglich ist und so haben wir z.B. sehr profitiert von den Reiseberichten anderer Eltern, die sich einfach mal etwas getraut haben. Erin und Hig (Abenteurer, Packraft-Pioniere und Eltern in Alaska) mit ihrer Seite Groundtruthtrekking setzen da natürlich Maßstäbe. Aber auch der eine oder andere Reisebericht auf outdoorseiten.net und (neuerdings) die youtube-Videos von Andreas Mayer (Paddeltouren mit Kindern) haben uns inspiriert.

2. Klein anfangen und groß träumen

Oben habe ich ja schon beschrieben, wie wir uns Schritt für Schritt immer mehr getraut haben und über kleine Unternehmungen genügend Erfahrung und Selbstbewusstsein gesammelt haben um uns auch Größeres zuzutrauen.

Mit dem Packraft haben wir es genauso gemacht: wir haben uns erst einmal auf Flachwasser in Ruhe mit dem Boot vertraut gemacht und Handhabung, Stabilität etc. ausgetestet.

Gepäckfahrt im Wohnzimmer

Um herauszufinden, wie viel Gepäck man noch komfortabel mit unseren Packrafts transportieren kann, haben wir z.B. an einem Nachmittag im Februar Säcke voller Federbetten und Babykleidung auf dem heimischen Baggersee spazieren gefahren.

Es folgten kleine Touren auf ruhiger (Altmühl) und schneller (Donau) fließendem Zahmwasser bis wir uns schließlich mit Inn und Isar an einfaches Wildwasser heranwagten. Als das alles gut klappte, haben wir uns dann auch an eine große Tour in der Wildnis Lapplands herangetraut. Und gerne träumen wir davon, was uns für die nächsten Jahre an Möglichkeiten offen steht.

3. Sich genaue Gedanken um Sicherheit und Gefahren machen - und sich trotzdem nicht davon abhalten lassen, loszufahren

Beim Reisen mit Kindern hat die Sicherheit natürlich einen ganz anderen Stellenwert als wenn man allein unterwegs ist. Ein Unfall kann allzu schnell passieren und dann sollte es möglich sein in vertretbarer Zeit Hilfe zu holen. Dazu muss erst einmal eine Kommunikationsmöglichkeit gegeben sein. Ein geladenes Handy (besser: zwei) sollten in einer Gegend dabei sein, in der die Netzabdeckung gut ist. Im Fall von lückenhafter Abdeckung gibt es die Möglichkeit einen Satellitennotsiganlgeber oder ein Satellitentelefon zu mieten.

vorherige Besichtigung einer Sohlschwelle

Wir plädieren sehr für ein Satellitentelefon, das zwar etwas teurer ist, aber im Fall von nicht-lebensbedrohlichen Notfällen auch genutzt werden kann, um sich telefonischen Rat (z.B. von einem Kinderarzt) einzuholen. Ein Notsignalgeber dagegen ist - je nach Ausstattung - ein “alles-oder-nichts”-System, man hat also nur die Wahl entweder Rettung anzufordern oder eben nicht.

Das beste Telefon nutzt allerdings nichts, wenn man die wichtigsten Notrufnummern nicht kennt. Wir haben uns für unsere Lapplandreise nicht nur die lokalen Notrufnummern auf mehrere wasserdicht laminierte Kärtchen notiert, sondern auch die Nummern von unserem Hausarzt, Kinderarzt und der Notaufnahme des heimischen Krankenhauses (damit fällt, wenn man dringend einen Rat braucht, zumindest schon mal die Sprachbarriere weg). Dazu kamen dann noch anderweitig nützliche Nummern wie die eines lokalen Taxianbieters und der Touristeninformation.

Spaß in einer Stromschnelle

Was uns bei der Auswahl eines Familien-Tourenziels auch immer wichtig ist, ist, dass Rettung - sollte sie benötigt werden - in vertretbarer Zeit eintreffen kann. Wir sind zwar durchaus tagelang ohne menschliche Kontakte in der Wildnis unterwegs, aber wir begeben uns dabei nicht extrem weit weg von aller Infrastruktur.

Ganz ungefährlich ist das Paddeln natürlich nicht, speziell wenn das Wasser nicht gerade Badewannentemperatur hat und man sollte sich der Gefahren bewusst sein. Gelegentliche Lektüre von Threads wie diesem helfen einen dafür zu sensibilisieren und Leichtsinn zu vermeiden.

Mit den spezifischen Gefahren und Schwierigkeiten eines Gewässers (Stromschnellen, Wehre und Umtragemöglichkeiten, Wind und Wellen etc.) sollte man sich vorher genau vertraut machen und Abbruchmöglichkeiten und Variationen einkalkulieren. Wenn wir mit den Kindern unterwegs sind, gehen wir auch niemals an die Grenzen unserer Fähigkeiten, sondern bleiben immer in einem Bereich, den wir komfortabel beherrschen. Geeignete Kleidung und Schwimmwesten (im Fall der Kinder: ohnmachtssichere Rettungswesten) dürfen natürlich auch nicht fehlen.

manchmal ist Umtragen die beste Wahl

Was aber für uns immer die wichtigste Sicherheitsreserve auf Tour ist, ist die Zeit! Wir planen sehr großzügig und haben immer ein großes Zeitpolster. Das heißt zwar, dass wir gegen Tourende oft noch ein paar Tage am Ziel oder in Zielnähe herumlungern (mit Kindern wird das zum Glück nicht langweilig), aber wir kommen eben auch nie in die Verlegenheit unter Zeitdruck ein Ziel noch erreichen zu müssen. Schlechtes Wetter oder anderweitig ungünstige Verhältnisse können wir einfach aussitzen und begeben uns so von vornherein erst gar nicht in Gefahr.

Es wird immer Leute geben, die solche Touren mit Kindern für viel zu gefährlich halten. Wenn man allerdings sorgfältig und verantwortungsbewusst an die Planung herangeht und sich bemüht etwaige Risiken zu minimieren, sollte man sich nicht verunsichern lassen.

4. Genaue, penible Planung - die man dann komplett über den Haufen wirft

Mit Kindern ist man plötzlich viel weniger flexibel als davor. Man kann nicht einfach mal auf einem Bahnhof übernachten, noch ein paar Kilometer weiter laufen oder eine Mahlzeit ausfallen lassen.

egal was kommt, wir sind vorbereitet

Das alles macht eine sehr viel genauere Tourenplanung nötig. Gleichzeitig wächst die Zahl der Unwägbarkeiten mindestens exponentiell mit der Kinderzahl, so dass alles sowieso immer anders kommt als man denkt.

Wir lösen dieses Dilemma indem wir alles was planbar ist möglichst genau und komfortabel planen (z.B. Anreise und Gepäck), die Tour selber steht dagegen nur in Grundzügen fest und lässt sich nach Belieben anpassen. Vor allem haben wir immer sehr viel mehr Zeit als wir - selbst bei unserem langsamen Tempo - bräuchten (siehe auch Punkt Sicherheit).

5. Komfort erkaufen und Stress vermeiden, wo es geht

Der Alltag mit kleinen Kindern ist normalerweise sowieso schon ziemlich anstrengend. Planung, Vorbereitung und Anreise für eine große Outdoortour können schnell ein wahnsinnig großes Stresspotential erzeugen. Allein schon sicherzustellen, dass alles eingepackt ist, was man braucht, Nahrung in der richtigen Menge und Zusammenstellung, die richtigen Kuscheltiere… Und der Weg von zu Hause zum Startpunkt einer Tour ist auch alles andere als trivial.

Die Realisierung einer solchen Tour ist nie ganz stressfrei!

Dort, wo es möglich ist, versuchen wir deshalb Stress zu vermeiden. Als wichtiges Hilfsmittel haben sich in der Vorbereitung Checklisten erwiesen. Und zwar liste ich nicht nur auf, was alles mit muss, nein, ich führe auch penibel darüber Buch, welchen Ausrüstungsgegenstand ich in welche Tasche gepackt habe. (Panisch am Abend vor der Abreise nochmal alle Behältnisse zu leeren, weil man sich nicht erinnert ob und wo man etwas schon eingepackt hat ist weniger clever, das ging mit vor der Checklistenlösung regelmäßig so!) 

Obwohl wir sonst eher sparsam sind, nehmen wir für Touren mit den Kindern öfter mal ein Taxi, speziell wenn wir viel Gepäck dabei haben oder der Weg mit öffentlichen Verkehrsmittel lang und kompliziert ist. Der Gewinn an Komfort ist für uns wirklich Gold wert und manch eine Tour hätten wir sonst uns vielleicht erst gar nicht zugetraut. (Das klingt vielleicht jetzt ein bisschen übertrieben, aber gerade die Anreise mit Kindern und Gepäck empfinde ich immer als den stressigsten Teil einer Tour!)

6. Ausrichtung nach Tempo und Bedürfnissen der Kinder

Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei: man wird mit der Familie weder Geschwindigkeitsrekorde aufstellen noch große Strecken zurücklegen. Der Schwerpunkt einer Tour ändert sich grundlegend. Wo früher das Camp nur notwendige Erholungsphase war steht es jetzt im Zentrum jeder Unternehmung.

unsere Planung lässt immer viel Zeit zum Spielen

Auf langen Touren versuchen wir nicht mehr als 1-2 Stunden am Tag zu paddeln (es sei denn die äußeren Umstände machen längere Etappen nötig) und häufige Ruhetage einzulegen. Dafür bleibt SEHR viel Zeit zum  Erkunden, Spielen, Beeren sammeln, Feuer machen und für alles was für die Kinder sonst noch wichtig ist. Für unsere Kinder ist das Boot eher Mittel zum Zweck, den Hauptspaß haben sie im Camp und die Erlebnisse dort sind der Grund warum sie unsere Unternehmungen so lieben.

7. Tagesablauf der Kinder als Rahmen

Auf unseren Touren haben wir immer gute Erfahrungen damit gemacht, uns so eng wie möglich am normalen Tagesablauf der Kinder zu orientieren.

Wir stehen gegen 7 Uhr auf, frühstücken und packen dann in Ruhe das Camp zusammen während die Kinder sich noch mal austoben. Am späten Vormittag paddeln wir dann los. Die Kinder haben zu dem Zeitpunkt schon genug Energie verbrannt, um bereitwillig im Boot zu sitzen, sind aber noch nicht müde und quengelig. Manchmal macht unser Kleiner ein frühes und kurzes Mittagschläfchen im Boot. Gegen Mittag ist unsere Tagesetappe normalerweise auch schon wieder zu Ende und wir kochen ein warmes Mittagessen (wenn wir noch weiter fahren wollen machen wir irgendwo Pause und kochen).
Dann wird das Camp eingerichtet, noch viel gespielt und erkundet und abends bringen wir die Kinder zur gewohnten Zeit mit dem gewohnten Einschlafritual ins Bett.

Einige der hier beschriebenen Punkte haben wir auf die harte Tour gelernt: anfangs haben wir z.B. versucht (wie wir es von früher gewohnt waren) erst abends warm zu essen und mittags nur Brot oder Snacks zu uns zu nehmen. Das ging gründlich schief und resultierte in zwei äußerst quengeligen Kindern und zwei entnervten  Eltern. Falls sich Leser meines Blogs wundern, warum wir immer so viel Wert aufs Mittagessen legen: DAS ist der Grund!

manchmal dauert der Mittagschlaf länger als erwartet

In unserer Naivität hielten wir es anfangs auch für eine gute Idee, bis zur Mittagsschlafzeit zu warten, ehe wir lospaddeln, damit der Kleine im Boot gleich einschläft und sich nicht langweilt. Das Resultat war ohrenbetäubendes und lang anhaltendes Gebrüll.

8. Die Kinder nicht unterschätzen!

Wenn das Rundherum stimmt und sie sich wohlfühlen sind Kinder erstaunlich hart im Nehmen. Äußere Faktoren wie Kälte, Regen, Mücken, bei denen ich schon mal ins Meckern komme, sehen sie einfach als gegeben an und machen das Beste daraus. Solange sie satt, warm und trocken sind, sind meine Kinder auch bei Dauerregen nicht im Zelt zu halten sondern spielen von morgens bis abends draußen und sind zur Bettzeit auch nur unter Protest dazu zu bewegen, wieder reinzukommen. Auch beim Paddeln gelegentlich mal kräftig nass zu werden ist keine Katastrophe, solange man durch richtige Kleidung und ggf. Kleidungswechsel ein Auskühlen verhindert.

Die Kleinen stört Dauerregen meist wenig - uns Große eher!

Kein Spielzeug? Auch das ist kein Problem, die ganze Welt ist angefüllt mit den tollsten Spielmaterialien und nach maximal zwei Tagen Akklimationszeit werden Bauklötze und Playmobil nicht mehr vermisst. Nur einen kleinen Eimer und eine Schaufel haben wir für jedes Kind immer dabei.

Einziger Nachteil: wir kommen von jeder Tour mit einem Sack voller Lieblingssteine und -stöcke zurück und mit allem was sonst noch so an Treibgut gefunden wurde.

Spielzeug liegt überall herum!

9. Einfach mal probieren was geht - und was nicht! (und falls es nicht klappt, Plan B und Notausstiege einplanen)

Ein Tourabbruch ist kein Beinbruch und man hat daraus gelernt was nicht geht bzw. was man besser machen kann. Unsere Touren waren oft ganz anders geplant als ausgeführt und trotzdem immer ein voller Erfolg.

Solange man die Planung flexibel ausgerichtet hat, so dass man durch Planänderungen nicht in Schwierigkeiten gerät, kann man nur davon profitieren, Dinge einfach mal auszuprobieren.
Wie viel bedauernswerter wäre es dagegen, es gar nicht erst zu versuchen?

Notausstieg"- kein Problem mit S-Bahn Anschluss!

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