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Packrafting in Äthiopien (IV)

Fanta – der erste Packraft`er Äthiopiens

Übernachtet wurde während der Tour entweder direkt im Zelt am Ufer oder in sogenannten Community-Camps in nahe liegenden Dörfern. Am Nachmittag des zweiten Tages wanderte ich beispielsweise gemeinsam mit Fanta nach einem gelungenen Packraft-Tag nach Genet Mariam. Wir ließen die Luft aus den Rafts, zerlegten die Paddel und verstauten das Equipment in unseren Rucksäcken.

In Genet Mariam erwartete uns bereits das halbe Dorf mit Gesang und viel Tej, einem lokal gebrautem süffig-süßen Honigwein! Es war nicht das erste Mal, dass man vor allem dort am herzlichsten begrüßt wird, wo die Menschen am ärmsten sind. Das Wenige, was die lokale Bevölkerung hat, wird generös geteilt. Ohne große Worte servierte man uns Fremden köstliche Speisen und in Vorfreude auf  Geschichten aus der Fremde spielte der lokale Azmari (Minnesänger) auf seiner Masinko (Pferdekopfgeige) Willkommens-Lieder.


Am abendlichen Lagerfeuer wollte Fanta ALLES wissen: Wie steuert man solch ein Packraft? Ist es gefährlich? Wie steigt man ein? Brauch man einen Führerschein bzw. muss man eine Fahrprüfung ablegen? Geduldig erklärte ich ihm alle Details und vor allem motivierte ich ihn intensivst am nächsten Tag das Gefährt doch selbst einmal auszuprobieren. Grübelnd und mit einem letzten Tej starrte er noch lange in das inzwischen ausglimmende Lagerfeuer.

Am nächsten Morgen stand Fanta mit angezogener Schwimmweste und Paddel in den Händen vor meinem Zelt. Wortlos gab er mir zu verstehen, dass nun auch er bereit für das Abenteuer Packrafting sei! Während dem Frühstück bei frisch gebrühtem Kaffee wies ich ihn dann aber doch darauf hin, dass es völlig ausreicht, die Schwimmweste erst nach dem einstündigen Fußmarsch zum Fluss anzulegen...



Bevor wir zum Fluss aufbrachen, besuchten wir noch die Felsenkirche von Genet Mariam, welche wohl im 12. Jahrhundert aus dem Lava-Gestein geschlagen wurde. Die meisten Menschen im Hochland Äthiopiens sind sehr religiöse Christen, so dass der Besuch der Kirche zum Alltag dazu gehört. Fanta kniete recht lang im Gebet vor einer alten Ikonenmalerei des äthiopischen Schutzheiligen St.Georg. Auf dem Weg aus der Kirche zwinkerte er mir schelmisch zu und flüsterte: „Safety first!“.

Der Pfad führte uns anschließend durch Ackerland entlang rot-orange-blühender Agaven, die hier als natürliche Zäune dienen und die Saat vor dem Vieh schützen. Im Tal sahen wir nach kurzer Zeit schon den silber- funkelnden Tekeze. Am Ufer angekommen, bauten wir die Rafts auf und ich erklärte Fanta in einem ruhigen Seitenarm des Flusses die Grundmanöver zum Steuern eines Packrafts. Der morgendliche Tatendrang wich dann aber doch einer respektvollen Ehrfurcht vor dem Wasser. Doch Respekt und Ehrfurcht haben noch niemandem geschadet – vor allem nicht in der Natur! Mit diesen Worten zog ich Fanta in seinem Raft durch das flache Wasser und er verlor langsam die Angst vor dem Nass. Die ersten Meter auf dem Fluss in meinem Schlepptau wirkte Fanta noch ein wenig verkrampft, doch schon bald konnte ich die Sicherheitsleine kappen und er schipperte in aller Ruhe den Fluss entlang. Selbst kleinere Stromschnellen meisterte er mit Bravour und das Anhalten im Kehrwasser gelang ihm von mal zu mal besser. Fanta erwies sich als Naturtalent. Außerdem wurde wiederum deutlich, dass die Packrafts gutmütig zu steuernde, Fehler verzeihende und vor allem sichere Boote sind.

Nach einem lehrreichen Vormittag verbrachten wir unserer Mittagspause unter einem schattenspendenden Feigenbaum in einer beschaulichen Flussbiegung. Vom gegenüberliegenden Flussufer beobachtete uns eine Gruppe junger Mädchen. Fanta brüllte euphorisch hinüber: „I am Fanta, the first Packraft`er of Ethiopia!!!“

Weiter geht es mit Teil VMitten im Wasser dürstet der Narr.