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WÜSTENSCHIFF - A BOAT IN THE DESERT

Die Reise in den Tschad, das scheinbar staubige Herz Afrikas, war alles andere als eine übliche Packrafting-Tour angelegt, im Grunde eigentlich überhaupt nicht dafür vorgesehen!

Bloß nicht die Orientierung verlieren...

Die Wüstenexpedition bediente sich vor allem Geländefahrzeugen in eine der trockensten Gegenden der Erde. Es war weder Platz für eine Bootsausrüstung noch Wasser in Aussicht. Aber hey, die Mitnahmen eines Bootes „auf Verdacht“, hat ja genau den explorativen Charakter, welcher absolut der Packrafting Philosophie entspricht. Und was wäre dafür besser geeignet als das derzeit leichteste und kleinste Packraft, was trotzdem ausreichend robust ist?  Das Anfibio Alpha XC konnte hier vor allem seine Kerneigenschaft als ein äußerst unauffälliger Begleiter im Expeditionsgepäck ausspielen.

Lutz, ein alter Bekannter (Scouting in Äthopien, Teilnahme bei unserem ersten Festival Trailer), konnte uns schnell überzeugen, dass dies eine gute Idee ist
von Lutz Scharf

Als Tour-Guide und Expeditionsleiter auf dem afrikanischen Kontinent führen mich meine Reisen vor allem in Regionen, die sich fernab der klischeebehafteten Zuschreibungen von Hakuna Matata, Sundowner auf der Lodge-Terrasse oder Rücken-Massage bei Amarula-Schnaps am Pool verorten lassen. Ob Äthiopien, Dschibuti, Sudan oder Somaliland – all diese, gern als „schwierigen Länder“ bezeichneten Reisedestinationen, erweisen sich immer wieder als Theaterbühne großartiger Naturschauspiele, spannender Alltagsbegegnungen, aber auch als Spiegel der ungeschönten Realität eines faszinierenden Kontinents.

Begegnung unterwegs

Eine solche Reise sollte mich im März 2017 in den Tschad führen. Das Binnenland ist mit knapp 1,3 mio km² Fläche (ungefähr 3,5 mal die Größe Deutschlands) das 5. größte Land Afrikas und befindet sich eingegrenzt von solch illustren Nachbarn wie Lybien im Norden, dem Sudan im Osten, der Zentralafrikanischen Republik im Süden und Kamerun bzw. Nigeria im Westen im Herzen des afrikanischen Kontinents.

"endemischer Steinpilz" - Sandsteinformation im Ennedi

Wenn wir diese Metapher weiter bedienen, könnte man das Herz Afrikas als offenbar recht staubig, dornig, felsig, heiß und farblich in allen Gelb-, Braun- und Rottönen beschreiben. Die Tatsache, dass fast 80% der Landmasse von Sahel-Zone und Sahara vereinnahmt werden, lässt den geneigten Leser sicherlich nun erst einmal grübeln, ob solch eine Destination das geeignete Setting für eine knackige Packraft-Tour ist. Und ja: heiß, staubig, dornig, felsig hören sich zunächst auch nicht nach Attributen an, welche reißende Flüsse mit Stromschnellen, Kaskaden oder Walzen verheißen. Und wiederum ja: all das stimmt, der Tschad ist in keinster Weise ein prädestiniertes Land für eine packraft`eske Unternehmung...

Paddeln in der Sahara?

Die Idee ein Packraft mit in den Tschad zu nehmen, reifte während der inhaltlichen Vorbereitung auf die Tour. Das Konzept habe ich schon während einer Packraft-Expedition auf dem Tekeze-Fluss in Äthiopien vor 2 Jahren in aller Ausführlichkeit getesten. Mir war von Beginn an durchaus bewusst, dass das Raft den Großteil der Tour klein zusammen gerollt in den Tiefen des Geländewagen schlummern wird. Doch genau bezüglich der Handlichkeit greift hier das Prinzip des Packrafts wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Man muss sich nur die logistische Vorbereitung einer partiellen Sahara-Querung vorstellen: fehlende Infrastruktur und Versorgungsposten fordern eine präzise kalkulierte Ausrüstungsliste.

Für kurze Distanzen auch im aufgebauten Zustand schnell und sicher zu transportieren 

All dieses Material will für einen 3000km-Trip durch die Weiten der Wüste mit insgesamt 12 Personen (6 Gäste, 3 Fahrer, 1 Koch, 1 lokaler Guide und 1 Expeditionsleiter) in den Fahrzeugen sicher und effizient verstaut werden. Der Fokus liegt dabei auf Proviant, Wasser, Treibstoff, Ersatzteile für die Fahrzeuge, Camping-Ausrüstung und ganz zum Schluss die persönliche Ausrüstung jedes einzelnen Teilnehmers, welche auf das Wesentliche reduziert sein sollte. Trotz der Tatsache, dass das Equipment des Expeditionsleiters stets ein wenig größer ausfällt (Navigations- und Kommunikationstechnik, Erste Hilfe-Ausrüstung, etc.) fand das Packraft (Anfibio Alpha XC) problemlos in meinem Gepäck Platz. Ein schlechtes Gewissen, kostbare Ladekapazität in den Fahrzeugen zu okkupieren war somit von Beginn an obsolet. Weniger bewusst war mir vorab, dass der tschadische Zoll bei der Einreise meine Ausrüstung skeptisch und zugleich völlig überfordert begutachtete. Während ein Zöllner mit imposanter Statur und noch imposanterem Schnauzbart 

… fragend das teilbare Paddel inspizierte, fiel mir nichts besseres ein als zu attestieren, dass es sich hier um eine neuartige mobile Schaufel für das Ausgraben festgefahrener Fahrzeuge im Wüstensand handelt.“

Die Information, dass es sich hier um Ausrüstung für eine Paddeltour in der Sahara handelt, wollte ich mir und meinem Gegenüber so altruistisch wie möglich ersparen... 

Gezeichnet von Sonne und Sand: alter Hirte am Brunnen

Vom Garten Eden der Sahara zu den Seen von Ounianga
Ziel der Reise war das Ennedi-Massiv im Nordosten des Landes, welches seit 2016 zum UNESCO-WELTNATURERBE zählt. Das bizarre Sandsteingebirge mit seinen versteckten Gueltas (natürliche Wasserreservoirs) und unzähligen Felsmalereien, welche teilweise älter als 10.000 Jahre sind, wird in Fachkreisen gerne als der „Garten Eden der Sahara“ bezeichnet. Nicht zu Unrecht, denn die einzigartige Natur bildet eine scheinbar seit Jahrtausenden unveränderte ökologische Nische in einer Region ständiger Veränderung. Galeriewälder, durch permanente Erosion geformte Zinnen und Türme aus Sandstein und die außergewöhnliche Tierwelt

… mit den letzten Exemplaren der hier heimischen Wüstenkrokodile sind die verbleibenden Relikte der „grünen Periode“ der Sahara vor mehr als 5.000 Jahren.

Guelta d`Archai: das wohl größte natürliche Wasser-Reservoir der Sahara

Ein weiteres Ziel waren die Süß- und Salzwasser-Seen weiter nördlich im tschadisch-lybisch-sudanesischen Dreiländereck. Ebenso zum UNESCO-WELTNATURERBE zählend, erwarten den Wüstenreisenden hier eine völlig surreale Szenerie. Nach 2000 km mit dem Geländewagen durch die heiß-trockene Sahelzone und Sahara glaubt man beim Blick auf die 19 Seen zunächst an eine typische Fata Morgana. Doch spätestens beim Sprung in das erfrischende und überraschend kühle Nass des Lac Boucou erweist sich die scheinbare Surrealität als wunderbare Realität!

Die magischen 4 A's : Auspacken, Ausrollen, Aufblasen, Abfahren!

Stillleben

Während der Tour bestätigte sich dann die Annahme, dass das Anfibio Alpha zunächst 10 Tage bei täglich über 40 Grad durch die Wüste geschaukelt wurde. Doch der ganz große Auftritt wartete dann am Lac Boucou, einem 19 Seen der Ouninanga-Seen. Wie schon weiter oben beschrieben konnte das Setting nicht perfekter sein. Neben diesem großartigen Naturphänomen inmitten der Sahara beflügelte vor allem die Tatsache, dass man nach Tagen voller Entbehrung (im Sinne von minimaler Körperhygiene) endlich voller Genuss ein tiefenentspannendes und vor allem tiefenreinigendes Vollbad nehmen konnte. Doch neben den persönlichen Reinigungsbedürfnissen stand die Erkundung des Sees im Vordergrund. Das Packraft also aus dem Landcruiser geholt, ausgerollt und aufgeblasen. Nach 5 Minuten war das Expeditionsmobil abfahrbereit. 

Trockentraining ...

Die lokale Crew beäugte zunächst skeptisch das Unterfangen, sind sie doch eher im Meer der Sanddünen zu Hause. Doch nachdem das Material ausführlich händisch begutachtet wurde, an Land Trockenübungen durchgeführt (auch die Sanddüne hinunter...) und Sitzproben absolviert wurden, ließen sie es sich nicht nehmen, ebenfalls eine Spritztour auf dem See zu unternehmen und vor allem für unzählige Handy-Bilder zu posieren. Bei einer angenehmen kühlen Brise konnte auch ich wenig später die Einzigartigkeit des Sees erfahren. 

... mit anschließendem Wasserkontakt.

Trotz dem Fehlen eines natürlichen Abfluss und der hohen Sonneneinstrahlung hält sich die Verdunstung des Oberflächenwassers in Grenzen, da der Uferbereich stark verschilft ist und die Seen über unterirdische natürliche Sandfilter mit einander verbunden sind und somit ein indirekter Pegelausgleich stattfindet. Im Schilf tummeln sich unzählige Zugvögel, die hier den europäischen Winter verbringen. Aber auch Salinenkrebse und Buntbarsche im seichten Wasser konnten vom Boot in aller Ausführlichkeit beobachtet werden. Nicht zu vergessen, die grandiosen Perspektiven vom See auf die bedrohlich wirkende Szenerie der umliegenden Sicheldünen und Felsformationen. Voller Begeisterung und unzähligen WOW-Momenten paddelte ich zurück zum Camp direkt am Ufer. Allein für diesen verhältnismäßig kurzen Ausflug lohnte sich das Mitnehmen allemal!

Steife Brise an den Seen von Ounianga

Fazit der Reise
Der Tschad, insbesondere die Sahara-Region wird trotz der Erlebnisse mit großer Wahrscheinlichkeit nie ein Packraft-Hotspot werden. Doch als kleine aber feine Zusatzausrüstung kann ein Packraft jede Expedition oder andere Reiseform ohne großen Mehraufwand hinsichtlich Transport und Nutzung, qualitativ enorm aufwerten und Perspektiven erweitern.

In dieser Hinsicht war das Anfibio Alpha XC ideal, verschwindend kleines Packmaß, zu vernachlässigendes Gewicht und in Rekordzeit aufzubauen, bietet es dennoch die Möglichkeit logistisch aufwendige Touren mit viel Equipment, eine unabhängigere Note zu verleihen.

Lokaler Sonnenschutz: junger Hirte mit Turban

Die einleitende Beschreibung des „staubigen Herzens“ Afrikas muss letztendlich dringend revidiert werden. Vielmehr scheint dieses Herz Afrikas zwei Seiten zu haben: Einerseits das raue, auf den ersten Blick unwirtlich wirkende Szenario der Sahara, andererseits die liebliche und lebensbejahende Kulisse der Gueltas im Ennedi und die Seen von Ounianga. Wer sich auf dieses Faszinosum der Extreme einlassen möchte, findet im Tschad eine Reisedestination, die ihresgleichen sucht – egal ob mit oder ohne Packraft!

SHUKRAN und bis zum nächsten Mal!

Das Paradis der Sahara: Lac Boucou