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Packrafting ÜBER die Alpen. Zu Fuß über die Berge – auf dem Fluss zurück nach Hause.

Bergsteigen und Wildwasser Rafting kombinieren: Drei Jungs aus Oberbayern suchen ein neues Abenteuer auf den bekannten Pfaden vor der eigenen Haustür. Herauskam eine etwas andere Raftingtour mit über 4.000 Höhenmetern. 

Wer sind wir und wie kam es zu der Idee: wir sind Stefan, Benni und Pete. Drei Freunde, die seit Jahren das Unbekannte reizt. Auf Abenteuerreisen auf der ganzen Welt sind wir immer auf der Suche nach echter Wildnis, neuen unbekannten Pfaden und sportlichen Herausforderungen. Aufgewachsen am Alpenrand sind es vor allem die Gebirge der Welt, die uns faszinieren. Ob Rocky Mountains, Himalaja, Atlas, Pyrenäen, Anden, Balken, Kaukasus – je unbeschriebener die Region, desto spannender. Obwohl es echte Wildnis, unbekannte Wege oder neue Routen in den Alpen kaum mehr zu finden gibt, sind die Alpen für uns Heimat. Hier tanken wir Energie und Entkommen unserem Alltag. Nachdem wir im letzten Jahr mal wieder von einer größeren Reise im Himalaja nach Hause kamen, stellten wir uns die Frage: wie könnte man denn in den Alpen mal wieder etwas Neues machen, das so vielleicht noch niemand vorher getan hat - ohne dabei die steilsten Wände zu durchsteigen, oder sich dem höchsten Risiko auszusetzen?

Und so kam das Packrafting ins Spiel: Außerhalb der Kajakszene eine noch sehr unbekannte Sportart, die wir allerdings schon seit einiger Zeit auf dem Schirm haben. Was reizt uns besonders daran? Das Spannende an den mobilen, faltbaren Kajaks für uns ist, dass wir somit zwei Sportarten kombinieren könnten. Bergsteigen und Rafting. Und damit eröffnen sich völlig neue Routenoptionen. Wie wäre es, wenn wir erst über die Alpen drüber laufen und anschließend auf einem wilden Fluss wieder zurück nach Hause fahren? Unsere Planungsphilosophie ist eigentlich „weniger Planung = größeres Abenteuer“. Aber da wir keinerlei Vorerfahrung im Wildwasser Rafting auf einem wilden Alpenfluss haben, wollten wir zumindest grob abklären, ob unsere Idee mal wieder vollkommen bescheuert ist, oder zumindest halbwegs möglich. Ein Anruf bei einem Raftinganbieter am Lech später, war diese Frage geklärt: Das Wildwasser Raften auf eigene Faust sei wohl zumindest theoretisch für halbwegs erfahrene Kajaksportler möglich – und damit war das Thema Planung bereits abgeschlossen. 


Das Projekt:

Von Deutschland starten – auf dem Hailbronner Höhenweg über die Allgäuer Hochalpen hinüberlaufen – im Süden nach Österreich absteigen und auf dem Lech 60km zurück nach Deutschland Raften. Hört sich in unseren Augen nach einer super runden Sache an :)


„Abenteuer ist das Vorhanden sein von Ungewissheit“ 

Wenn wir schon davor wissen, dass ein Projekt möglich ist und zu 100% funktionieren wird, dann ist es in unseren Augen kein echtes Abenteuer. Die Wanderung, die wir uns vorgenommen hatten, ist eher ein leicht abgewandelter Klassiker: der Heilbronner Höhenweg im Allgäu. Die Frage war eher: würden wir die Wanderung mit jeweils einem Boot inklusive Paddel, Warnweste, Schutzhelm im Rucksack in einer „normalen“ Zeit schaffen? Und die viel größere Frage: Würden wir als unerfahrene Wassersportler unbeschadet den Lech überstehen?


Die Vorbereitung: 

Wie immer bei unseren Projekten, fällt dieser Posten ein bisschen kurz aus. Unsere Packrafting Boote leihen wir uns von unserem Partner Anfibio. Das funktioniert reibungslos und erlaubt einen unkomplizierten Einstieg in diese neue Kajakwelt. Allerdings bekommen wir die Boote erst kurz vor Projektstart zugeschickt. Den Equipment-Check können wir daher erst einen Tag vor Projektstart durchführen. Benni und ich fahren zum Kochelsee und paddeln auf der ruhigen Loisach ein paar Kilometer entlang, um ein Gefühl für die Boote zu bekommen. Wir kommen kaum vorwärts, da kaum Strömung. Werden 60km auf dem Lech überhaupt realistisch sein? Und viel wichtiger für unser Projekt: Funktioniert das Packen in den Rucksack und wie schwer wird es damit zu wandern? Naja, es passt zumindest Alles irgendwie in und an den Rucksack. Das wird dann schon passen, oder? Buchstäblich 12 Stunden vor Projektstart beenden wir unsere Testfahrt. Zum Glück erfolgreich. Zeit für Anpassungen hätte es nur bedingt gegeben.


Es geht los:

Am nächsten Tag geht es mit dem ersten Zug nach Oberstdorf und per Bus nach Spielmannsau. Von hier beginnt unsere 4-tägige Reise ins Ungewisse. Das gesamte Projekt wird gesegnet von perfektem Sommerwetter in den Alpen. Und so macht uns eher die Hitze zu schaffen, als wir unsere vollbepackten Rucksäcke aus dem Tal Richtung Kemptner Hütte hieven. Zum Glück sind wir halbwegs Berg-fit und beschließen uns noch ein paar Gipfel für den Nachmittag vorzunehmen. Auf dem ersten Gipfel, dem 2.368m hohen Muttlerkopf, offenbart uns Stefan seine naiven Pläne: „Jungs wir laufen übrigens nicht einfach nur den Heilbronner Höhenweg, sondern besteigen nebenbei auch noch alle 17 Gipfel entlang des Weges.“ Benni und ich müssen herzhaft lachen, in der Annahme, dass das wohl ein Scherz sei. Einen Moment später realisieren wir: „Oh, der meint das ernst“. Für Benni und mich war diese Info komplett neu, aber für Stefan wohl eine unverhandelbare Tatsache. Mittlerweile kennen wir Stefan gut genug, um zu wissen, dass er sich solche Gedanken nicht so leicht ausreden lässt. Und schon sind wir um 17 Uhr noch auf dem Weg zu einem weiteren Gipfel für heute: dem höchsten Berg der Allgäuer Hochalpen: dem 2656m hohen großen Krottenkopf. Mit im Gepäck unsere Boote. Zwei Stunden später stehen wir bei traumhafter Sonnenuntergangsstimmung am ausgesetzten Gipfel. Kein Mensch mehr unterwegs. Ein Hauch von Wildnis. Genau, wie wir es lieben.


Der perfekte Ort für eine kleine Trockenübung.

Benni und ich, hatten das Bootaufbauen und Testfahren ja bereits am Vortag geübt. Stefan allerdings noch nicht. Gibt es einen besseren Ort für einen Testaufbau, als hier oben im Sonnenuntergang unter dem Gipfelkreuz? Ich glaube kaum. Gesagt getan, pumpt Stefan das Boot unter dem Gipfelkreuz auf, während Benni und ich gemütlich Abendessen. Ein köstlicher Anblick.

Prüfung bestanden. Sonne untergangen. Zeit in die Hütte zurückzukehren. Mit Stirnlampen erreichen wir die Kemptner Hütte und ein perfekter erster Tag geht zu Ende.

Auch an Tag zwei brennt die Sonne bereits vom Himmel, als wir nach allen anderen zum Heilbronner Höhenweg aufbrechen. Laut Stefan stehen heute 10 Gipfel auf dem Programm. Die Wanderung ist ein landschaftlicher Hochgenuss und zurecht eine der schönsten und beliebtesten Gratwanderungen der deutschen Alpen. Auch die Menschenmassen halten sich in Grenzen, denn eigentlich wird die Wanderung nur zwischen der Kemptner Hütte und der Rappensee Hütte durchgeführt. D.h. maximal die Kapazität an Menschen, die in eine Hütte passen verteilen sich über die 13km lange Etappe. Das „Boot im Rucksack“- System drückt etwas auf die Hüften, aber funktioniert grundsätzlich sehr gut. Für unsere Gipfelbesteigungen lassen wir die Boote am Hauptweg zurück und gehen lightweight auf die Gipfel. Eine absolute Traumwanderung wird mit einer kurzen Abfrischung im Rappensee bei Sonnenuntergang abgerundet.


Die Nervosität steigt:

An Tag drei wird es spannend - Ein paar letzte Gipfel und dann geht es erstmals auf den Fluss. Am letzten Gipfel, dem Biberkopf (2599m), angekommen steigt langsam, aber deutlich spürbar die Nervosität. Die Wanderung war ja eine Routineaktion – aber der Fluss? Haben wir das wirklich im Griff? Wie schnell kommt man da eigentlich voran? Wir steigen ab nach Süden und erreichen unseren Flusseinstieg in Steeg. Die Strömung ist deutlich stärker als am Testfluss am Tag vor dem Projekt. Die Anspannung steigt. Immerhin lädt das Wetter zum Baden ein. In Badehose bauen wir unsere drei Boote auf und dann wird es ernst. Ein letzter Reality Check – „Packen wir das, Jungs? Jo, wir packen das!“ Und los geht’s. 


Das Wilde Paddeln beginnt.

Das Raften im Wildwasser ist stark abhängig vom vorherrschenden Wasserstand. Deshalb gibt es auch keine allgemeingültigen Beschreibungen zum Fahren auf dem Lech. Bei viel Wasser gibt es wohl einige Gefahrenstellen zu beachten, die wir zumindest grob rausgeschrieben hatten. „An der dritten Brücke mit blauem Geländer links umfahren.“ „Bei den Sandbänken vor Häslgehr gegebenenfalls die Stufen umtragen.“ Und so weiter. Hört sich alles nicht so gemütlich an. Und demensprechend angespannt und hochkonzentriert fahren wir die ersten Kilometer vorwärts. Das Hauptproblem sollte schon bald neben den nervigen Moskitos ein zu niedriger Wasserstand werden. Immer wieder setzen wir auf und müssen teilweise sogar aussteigen und schieben, um überhaupt vorwärts zu kommen. Wir bleiben immer beisammen und warten nach jeder schnelleren Passage aufeinander. Mit jeder überstandenen Stromschnelle steigt das Selbstvertrauen, sodass wir in ruhigeren Segmenten das abendliche Ambiente aus Flussperspektive genießen können. Wildes Flussufer und tolle Ausblicke in die umherstehenden Berge, über die wir erst hierher gelangt sind. Als die Sonne verschwunden ist, gehen wir bei einer Brücke an Land. Irgendwo im nirgendwo. Aber in den Alpen ist die nächste Unterkunft nie weit entfernt, und so finden wir am Campingplatz in Oberhornbach ein Bungalow für die Nacht. „Was für ein Tag!“ – resümieren wir beim obligatorischen Feierabend Bier.

Letzte Etappe: 25km auf dem Fluss.

Als wir am vierten Morgen unsere Boote aufbauen, können wir es kaum abwarten wieder aufs Wasser zu kommen. Die Anspannung, ob wir dem Wildwasser gewachsen sind, war dahin und wir genossen einen weiteren Tag auf dem Lech in vollen Zügen. Der Fluss trägt uns bis Weißenbach kurz vor Reutte. Hier wird über Warnschilder klargemacht, dass es das wohl gewesen ist mit dem Raften. Einfach wow. Das Projekt hat geklappt... und wie. 


Fazit: 

Das Projekt war ein voller Erfolg und eines der schönsten Erlebnisse im ganzen Jahr. Unsere Message: Man kann auch vor der Haustür noch einzigartige Aktionen starten und neue Dinge entdecken. Ich bin überzeugt, dass wir alle extrem davon profitieren, uns ab und zu aus unserer Komfortzone zu begeben und uns an etwas Neuem, Unbekannten zu versuchen. Die Faszination fürs Packrafting ist definitiv geweckt und bis zu unserem nächsten Packrafting Projekt ist es sicher nicht mehr lange hin. In unseren Träumen sehen wir uns schon in Alaska, Schottland, der Mongolei, oder in Patagonien. Was wird es wohl werden? 


Fakten zur Tour:

Tourstats: 100km, 4.200 Höhenmeter, 4 Tage (davon 60km in 1,5 Tagen auf dem Lech)

Boote: Anfibio Rebel 2K – ca. 3kg inkl. Paddel, Weste und Rettungsequipment.

Rucksäcke: 40 – 60l inkl. Booten und Wanderequipment für 4 Tage


Der komplette Film zur Tour:

Neben Rafting gibt es auf meinem YouTube Kanal („Peter Baumeister“) auch allerlei ausgefallene Bergabenteuer auf der ganzen Welt zu Fuß, per Bike, auf Ski oder am liebsten einer Kombination aus mehreren Sportarten.


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