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Dem Packraft die Kante geben – und eine gute Balance finden

Wer mit Packraft unterwegs ist, merkt schnell: die üblichen Schlagarten reichen zwar, um zu sicher zu navigieren – doch sobald stärkere Strömungen ins Spiel kommt, wird es lebendig. Kehrwasser, Walzen, Verwirbelungen und wechselnde Geschwindigkeiten fordern nicht nur gute Linienwahl, sondern vor allem eines: ein Gefühl dafür, wie dein Boot unter dir arbeitet. 

Genau darum geht es in diesem Tutorial. "Kanten" heißt das Zauberwort – also das kontrollierte Drehen des Packrafts um die Längsachse, um Oberwasser zu vermeiden, stabil zu bleiben und aktiv mit der Strömung zu arbeiten. Klingt einfach? Ist es auch – aber nur mit der richtigen Technik und etwas Übung. 

Insbesondere in wilderem Wasser wird richtiges Kanten zur Pflicht

Warum überhaupt kanten?

Sobald dein Packraft eine andere Fahrtrichtung oder Geschwindigkeit hat als die Strömung, setzt seitlicher Druck auf das Oberschiff. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Das Boot fängt an zu kippen – und wenn du nichts tust, bist du schneller im Wasser als dir lieb ist.

Dabei hat das Packraft selbst gar keine "Kante", es geht ja eher "rund" und damit erstmal verzeihend zu. Daher vernachlässigen Anfänger gern die Technik, bis es zu spät ist. Wenn der flache Boden seine Endstabilität überschritten hat, geht es nämlich wieder rund zu ...

Die Lösung: Wir müssen dem Boot die Kante geben, d.h. man stellt das Packraft so an, dass nur das Unterschiff die Strömung bekommt. Das ist das Grundprinzip des Kantens. 

Je nach Situation geschieht das über Hüfte oder Oberkörper – und beides fühlt sich sehr unterschiedlich an.

1. Kanten mit Hüftknick

Hier bleibt dein Oberkörper aufrecht, während du die Bootskante nur über die Hüfte setzt. Diese Form ist für viele Situationen ideal, in denen du zentral im Boot bleiben musst. Typische Anwendung: Walzenreiten oder allgemein starke Strömungen direkt von vorne.  

Kanten mit Hüftknick

Durch den aufrechten Oberkörper bleibt dein Schwerpunkt stabil über dem Packraft. Gleichzeitig stellst du das Boot stromab an, sodass die Strömung auf die richtige Seite trifft – und nicht aufs Oberschiff.

Beim Hüftknick unterscheidet man zwei Varianten:

Ankanten

Das Boot wird zur Aktionsseite geneigt – also zu der Seite, auf der du arbeitest. Das sorgt für Kontrolle und Stabilität. Beim Walzenspiel ist das die Standardtechnik.

Wegkanten

Wird selten benötigt. Ein Beispiel wäre ein besonders sauberer Ziehschlag, bei dem du das Boot von der Paddelseite weg kippst, um den Effekt zu verstärken. Für Packrafter ist das eher ein Sonderfall.

2. Kanten mit Auslage

Hier bleibt die Hüfte fix, dafür legt sich der Oberkörper kontrolliert zur Seite. Das Boot folgt dieser Bewegung automatisch.  

Diese Technik brauchst du immer dann, wenn zusätzliche Kräfte auf dich wirken – etwa beim Einfahren in Kehrwasser oder beim flotten Umsetzen in Kurven.

Während der Kurvenfahrt wirkt nicht nur Schwerkraft, sondern auch Fliehkraft. Damit die resultierende Kraft weiterhin stabil auf das Unterschiff wirkt, legst du dich wie beim Fahrradfahren leicht nach innen. Je schneller du unterwegs bist, desto mehr Auslage brauchst du.

Kanten mit Auslage. Merke: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Übertreibung führt oft dazu, dass du dich stützen musst – und genau das kostet Kraft und bringt dich aus dem Rhythmus.

3. Stützen – aber richtig

Auch wenn perfektes Kanten vieles verhindert: Irgendwann brauchst du eine Stütze. Und dann ist es entscheidend, die richtige Technik zu wählen.

Flache Paddelstütze, Boot leicht gekantet, Oberkörper aufrecht

Niedrige Paddelstütze

Die echte Stütze. Das Paddel ist vor dem Bauch, die Ellenbogen sind über dem Schaft, und das Blatt liegt flach auf dem Wasser.  

Vorteile:  

  • maximale Stützwirkung  
  • sauberer Kraftseinsatz  
  • gute Position des Oberkörpers  
  • geringes Risiko für die Schulter  

Beim Kehrwasserfahren kannst du das Paddelblatt leicht anstellen, um dynamischen Auftrieb zu erzeugen.

Hohe Stütze ("Paddelhang")

Der Name sagt es schon: Du hängst am Paddel. Wirklich sinnvoll ist das nur, wenn sich die Stützzone sehr hoch befindet – etwa in großen Walzen.  

Gefahren:  

  • du legst dich zu weit zur Seite  
  • hoher Kraftverbrauch  
  • deutlich höheres Schulterrisiko  
Viele Paddler geraten in den Paddelhang, weil sie zu spät reagieren oder mit zu viel Auslage fahren. Vermeide das so gut es geht.

Indem man nicht, oder sogar zur falschen Seite kantet, riskiert man zu Kentern
Foto: Annika Seidl

4. Wann stützen – und wann NICHT?

Die Paddelstütze ist kein Allheilmittel. Sie hilft, Fehler auszubügeln und eine drohende Kenterung abzufangen – aber sie ist nicht dafür gedacht, jede kleine Unsicherheit zu kompensieren.

Zu früh stützen führt dazu, dass:

  • du mehr Auslage erzeugst als nötig  
  • du Energie verschwendest  
  • du Bewegungen nicht mehr sauber koordinierst  

Beim Walzenreiten stellt sich dann schnell die Frage: Wenn du beide Hände zum Stützen brauchst – wie willst du dann noch aktiv herausfahren?

Besser ist es, zuerst auf Hüfte und Oberkörper zu vertrauen. Halte das Paddel lediglich bereit, und setze die Stütze erst dann ein, wenn ein Kentern wirklich droht.

5. Bootsgefühl entwickeln – der Schlüssel zu allem

Das richtige Bootsgefühl entwickelt sich mit der Zeit von allein – wenn du zulässt, dass dein Boot arbeitet, statt es ständig durch Stützen zu blockieren.

Gutes Kanten entsteht nicht durch Kraft, sondern durch Gefühl  

Je öfter du Situationen zulässt, in denen das Packraft leicht wackelt, ohne dass du sofort reagierst, desto besser lernst du die Bewegungen kennen. Ein wenig wie Radfahren: Anfangs wackelig, später völlig selbstverständlich – ganz ohne Stützräder.

Fazit

Kanten ist eine der wichtigsten Techniken beim Paddeln, Packrafting zu recht eingeschlossen. Ohne sie wirst du immer wieder kämpfen müssen – mit Strömung, Balance oder unnötigen Stützen.  

Packrafts sind durch die runde Bauform (ohne Kanten, aber auch "ohne zu kanten") einerseits verzeihend, durch den typischerweise flachen Boden wiederum erschwerend zu kanten, (ohne Stütze) in Konsequenz aber gnadenlos...

Mit sauberem Hüftknick, kontrollierter Auslage und gezieltem Einsatz der Paddelstütze wirst du in Kehrwassern sicherer, in Walzen entspannter und in Strömungen souveräner.

Übrigens, Gewichtsverlagerungen sind gut, ein Boot mit Schenkelgurten ist dafür besser.

Und irgendwann passiert es automatisch: Dein Boot macht genau das, was du brauchst – und du fragst dich, wie du jemals ohne dieses "Bootsgefühl" ausgekommen bist.

Zahmwasser bietet gute Bedingungen um das Kanten zu üben

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