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Problemfuchs

Vor einigen Wochen, kurz vor Feierabend und quasi auf dem Weg ins Wochenende, erreichte uns noch folgende Nachricht von Bernd: "Jemand heute noch im Dresdner Büro? Ich würde gern kurzfristig eine MultiMat für mein Sigma abholen, bin gerade in Pirna. Meine Matte wurde vom Fuchs zerbissen, und ich auch - sitze noch beim Arzt." Wie es dazu kam, erzählt uns Bernd in seinem vollständigen Bericht.

Von Bernd Kleikamp

Der Ort des Geschehens

"Mitte Mai war ich mit Zelt und Packraft auf der Oberelbe unterwegs und dazu mit dem Zug von Göttingen nach Schöna gereist. Ich wollte bis Meißen, kam nur bis Pirna.

Aus dem Nichts hat ein Fuchs mir durch die Zeltwand im Schlaf in den Kopf gebissen und drang in mein kleines Zelt ein. Okay, ein kleiner Fuchs mit kleinen, aber sehr scharfen Zähnen. Die Attacke ereignete sich im Nationalpark Sächsische Schweiz auf einem Campingplatz. Mit Hilfe der Innenmatte des Packrafts, meiner Schlafunterlage, konnte ich den Angriff abwehren und das sehr aggressive Tier durch das von ihm gebissene Loch wieder aus dem Zelt drängen. Einmal erwischte es noch meine Hand. Die Matte überlebte – völlig zerbissen – nicht.

Biss durch die Zeltwand

Der Kampf war aber noch nicht zu Ende. Nachdem ich von den Zeltplatzbetreibern mit Bier und Gästezimmer vorbildlich betreut wurde, habe ich meine Wunden mit warmem Wasser gründlich ausgewaschen und desinfiziert. Am nächsten Vormittag bin ich nach Pirna zum Krankenhaus gepaddelt. Das Packraft fährt sich ohne Innenmatte deutlich schlechter und man bekommt kalte Füße. Beim Ausstieg trat ich beinahe auf eine schwarze Schlange. Bisswunden sollten grundsätzlich medizinisch versorgt werden samt Antibiotika‐Behandlung. Nach einer kleinen Odyssee durch die Notaufnahme wurde ich in der HNO‐Ambulanz endlich behandelt, aber bekam keine Impfung gegen Tollwut. Hierzu hatte ich mich aufgrund aller mir zu Verfügung stehenden Informationen entschieden. Das Risiko einer Übertragung durch Füchse in Deutschland ist zwar sehr gering, aber nicht zu 100% auszuschließen. Die Impfung hingegen ist gut verträglich. Die behandelnde Ärztin verstand mich, durfte aber nicht impfen. Sie wollte mich mit Schokolade trösten und empfahl, im Städtischen Krankenhaus zur Dresdener Neustadt mein Glück zu versuchen. Die Widerstände dort waren noch erheblich, aber nach 17 Stunden hatte ich meine Impfung, das Zeitfenster beträgt 12 bis 24 Stunden. Ich wurde nach Hause entlassen. Mein letzter Zug nach Göttingen war schon lange weg, Zelt und Schlafmatratze zerstört, für Hotel in Dresden weder Geld noch Lust, die nächsten Freunde in Halle an der Saale...

Halali, der Fuchs wurde am 21.5. "entnommen". Hat vorher noch 3 x gebissen, insgesamt 5 x in 12 Tagen. Alle Tollwuttests sind zum Glück negativ.


Warum machen Füchse das?

Diese Frage habe ich mir selbst gestellt und werde sie immer gefragt, sobald ich meine Fuchsgeschichte erzähle. Sven Herzog von der TU Dresden nannte mir drei Hypothesen, zu denen zwei hinzukommen.

1. Problemfuchs

So wie es problematisches menschliches Verhalten gibt, können auch Füchse komisch sein. Viele Ursachen sind möglich: massive Verhaltensstörungen, psychische Krankheiten, auch ein Fuchs kann einen Hirntumor haben. Als Raubtier sind die Konsequenzen verschärfter und sie beißen in den Kopf. Bissattacken von Fußballern zielten bisher nur auf die Schulter des Gegenspielers.

2. Stadtfuchs

Die meisten Füchse leben in Koexistenz mit uns mittlerweile in den Städten. Sie passen sich dem Nahrungsspektrum an, Essensreste gehören dazu. Ich hatte noch Käse fürs Frühstück im Zelt, als der Fuchs kam. Allerdings ging er direkt auf meinen Kopf los.

3. Mutfuchs

Jüngere Füchse jagen manchmal Rotwildkälber, die wesentlich größer als sie selbst sind. Warum es also nicht mal mit einem ungewaschenen Hinterkopf hinter einer Zeltwand probieren? Dies könnte ein natürliches exploratives Verhalten sein, was in sehr seltenen Fällen so enden mag, wie bei mir.

4. Wutfuchs

Im Begriff Tollwut stecken bereits Attribute wie „fuchsteufelswild“. Im 20. Jh. waren unsere Füchse noch Träger des Tollwutvirus. Sie selbst und die von ihnen Gebissenen starben daran, wenn sie nicht immunisiert oder geimpft waren. Eine Krankheitsphase zeichnet sich symptomatisch durch aggressives Verhalten der Füchse aus. Die Wissenschaft streitet erbittert darüber, ob Tollwut erneut über Wölfe z.B. aus Belarus in die EU eingeschleppt werden könnte. Seit 2008 gilt Deutschland als tollwutfrei. 2021 sind in und um Warschau 96 tollwütige Füchse von der EU registriert worden, bei uns ein tollwütiger Hund: illegal eingeführt.

5. Räudiger Fuchs

Da juckt es meinen Kopf und ich denke an Pseudo-Krätze. Mein Fuchs litt offensichtlich unter Räude und hatte sich verzweifelt den Schwanz kahl genagt. Solche Tiere stehen unter Stress. Könnte das nicht im Einzelfall aggressives Verhalten auslösen?


Wir sind froh, dass es Bernd gut geht. Bei Aktivitäten in der Natur sind Vorfälle wie diese nie auszuschließen. Passt auf euch auf und nehmt Rücksicht auf andere Waldbewohner.