Der Bogenschlag gehört zu den Grundlagen jeder sauberen Paddeltechnik – egal, ob du entspannt auf dem Fließwasser unterwegs bist oder dich im Wildwasser durch Kehrwasser und Walzen spielst. Kaum ein Schlag ist so vielseitig und wirkungsvoll. Er hilft dir beim präzisen Steuern, beim Einfahren ins Kehrwasser, beim Anfahren an ein Ziel, beim schnellen Drehen – und er kann dein Boot sogar stabilisieren, wenn’s mal unruhig wird.
Im Kombination mit Grund- und und Ziehschlag bildet er quasi die 3. Dimension der Schlagtechniken.
|
|
Der Bogenschlag ist ein Zusammenspiel aus Kraft, Timing,
Körperdrehung und Bootskontrolle.
|
Trotzdem wird der Bogenschlag häufig unterschätzt oder zu
oberflächlich ausgeführt. Viele denken, er sei einfach ein etwas
weiter gezogener Grundschlag. Doch wer ihn wirklich beherrscht,
spürt schnell: Hier steckt weit mehr dahinter! Was genau, erklären
wir in folgendem Tutorial.
Warum der Bogenschlag für Packrafter so wichtig ist
Packrafts reagieren anders als Kajaks: Sie sind kürzer, breiter,
flexibler – und das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits
drehen sie sich leicht, was auf engem Raum ein riesiger Vorteil
ist. Andererseits fehlt ihnen die Spurtreue, was präzise
Steuerarbeit umso wichtiger macht.
Mit dem Bogenschlag kannst du genau das kontrollieren: die
Drehung deines Bootes, ohne an Stabilität oder Geschwindigkeit
zu verlieren. Richtig ausgeführt, bringt er dich nicht nur auf
Kurs, sondern gibt dir auch noch einen ordentlichen Schub nach
vorn.
Ein Beispiel: Du willst in ein Kehrwasser einfahren. Mit einem
kraftvollen Bogenschlag auf der Innenseite leitest du die
Drehung ein und hältst gleichzeitig die Fahrt aufrecht – so
überwindest du die Verschneidungszone sicher und landest
kontrolliert im ruhigen Wasser.
Anderes Szenario: Du bist auf Fließwasser unterwegs und dein
Packraft driftet leicht zur Seite. Ein kurzer Bogenschlag bringt
dich wieder auf Linie – sauber, effektiv und ohne viel
Energieverlust.
|
Setze dein Paddel möglichst weit vorn ein – am besten
so, dass das Blatt fast den Bug berührt.
|
|
|
Ziehe das Paddel in einem weiten, bogenförmigen Zug
entlang der Bootslinie bis etwa auf Hüfthöhe.
|
|
|
Halte deinen Arm auf der Schlagseite fast gestreckt,
drehe die Schulter nach vorn und folge der Bewegung
mit dem Oberkörper.
|
Das Prinzip – Vorwärts und Rückwärts
Im Grunde gibt es zwei Varianten des Bogenschlags: vorwärts und
rückwärts. Beide dienen der Richtungsänderung, doch sie wirken
unterschiedlich auf dein Boot.
Der Bogenschlag vorwärts
Beim vorwärts ausgeführten Bogenschlag setzt du dein Paddel
möglichst weit vorn ein – am besten so, dass das Blatt fast den
Bug berührt. Dann ziehst du es in einem weiten, bogenförmigen
Zug entlang der Bootslinie bis etwa auf Hüfthöhe. Währenddessen
bleibt dein Arm auf der Schlagseite fast gestreckt, die Schulter
dreht nach vorn, und der Oberkörper folgt der Bewegung.
Dieser Schlag bringt dein Packraft in eine Drehung zur Seite der
Paddelseite – und zusätzlich leicht nach vorn. Das ist ideal für
fließende Kurven, Kurskorrekturen oder kontrollierte Einfahrten
ins Kehrwasser.
Der Bogenschlag rückwärts
Beim rückwärts ausgeführten Bogenschlag funktioniert alles
spiegelverkehrt: Du tauchst das Paddel hinter dir ein, drückst
es bogenförmig nach vorn und lässt den Oberkörper mitdrehen.
Dadurch drehst du dein Packraft ebenfalls in Richtung der
Paddelseite – allerdings bremst der Schlag die Fahrt fast
vollständig ab. Das ist nützlich, wenn du schnell reagieren
musst, zum Beispiel um einem Hindernis auszuweichen oder dein
Boot in starker Strömung zu drehen.
|
|
Der Rückwärts-Bogenschlag ist also ein Manövrier-Schlag
- kein Schlag zum Beschleunigen.
|
Schritt für Schritt – So geht’s richtig
1. Ausgangsposition
Setz dich stabil und aufrecht in dein Packraft. Dein
Körperschwerpunkt sollte mittig bleiben, die Beine leicht
angewinkelt, die Füße abgestützt. Lehne dich leicht nach vorn
und dreh die Schulter der Schlagseite nach vorne. Tauche das
Paddel so weit vorn wie möglich ein – das Paddelblatt steht
dabei senkrecht im Wasser.
2. Der Zug
Führe das Paddel in einem weiten Bogen vom Bug bis etwa zur
Hüfte. Der Schlag sollte flach bleiben – das heißt, das Paddel
liegt fast parallel zur Wasseroberfläche. Wichtig: Der Arm auf
der Schlagseite bleibt fast gestreckt, der andere Arm ist locker
gebeugt auf Brusthöhe. Der Oberkörper dreht während des gesamten
Zugs aktiv mit.
3. Der Abschluss
Beende den Schlag, sobald das Paddelblatt auf Hüfthöhe
angekommen ist. Weiterzuziehen bringt kaum noch Drehwirkung,
kostet aber Kraft und kann dein Boot abbremsen. Das Paddelblatt
verlässt das Wasser sanft, bevor du in den nächsten Schlag
übergehst.
4. Die Körperarbeit
Das Geheimnis eines sauberen Bogenschlags liegt in der Bewegung
deines Körpers: Schultern, Rumpf, Hüfte – alles arbeitet
zusammen. Du ziehst das Boot nicht mit dem Arm, sondern drückst
dich über das Paddel vom Wasser ab. Diese Vorstellung hilft
enorm, um die richtige Kraftübertragung zu entwickeln.
Kantung – Wenn’s schnell gehen soll
Ein Trick, den viele Fortgeschrittene nutzen: das leichte Kanten
des Packrafts. Wenn du dein Boot auf der Schlagseite leicht
anwinkelst (die Seite, auf der du paddelst, sinkt etwas tiefer
ins Wasser), hebt sich der Bug leicht. Dadurch wird die Drehung
beschleunigt, weil das Wasser weniger Angriffsfläche am Bug hat.
Das funktioniert besonders gut bei moderater Strömung oder wenn
du schnell über das Heck drehen willst.
Stabilisierung durch Auftrieb
Manchmal liest man, dass der Bogenschlag auch stabilisierend
wirkt. Das stimmt teilweise: Wenn du das Paddelblatt leicht
anstellst – also etwas flacher ins Wasser bringst – erzeugt es
Auftrieb. In unruhigem Wasser kann das tatsächlich für
zusätzliche Balance sorgen.
Aber Vorsicht: Was du an Auftrieb gewinnst, verlierst du an
Drehmoment. Ein flach angestelltes Paddel wirkt wie eine Stütze,
aber nicht mehr effizient als Drehschlag. Entscheide also
bewusst, was du brauchst – Stabilität oder Drehung.
|
|
Mit einem gut ausgeführten Bogenschlag lässt sich
sowohl die Richtung korrigieren sowie Geschwindigkeit
aufbauen.
|
Häufige Fehler und wie du sie vermeidest
1. Zu weit nach hinten ziehen
Viele ziehen das Paddel fast bis zum Heck – in der Annahme, das
bringe mehr Drehung. In Wahrheit passiert das Gegenteil: Hinter
der Hüfte verlierst du den optimalen Hebel, und dein Paddel
steht deinem Boot im Weg. Die Drehwirkung ist am stärksten bis
etwa Hüfthöhe.
2. Nur mit dem Arm arbeiten
Der häufigste Anfängerfehler: Der Arm zieht, der Körper bleibt
still. Dadurch verpufft ein Großteil der Energie im Wasser,
anstatt auf das Boot zu wirken. Lösung: Dreh den Oberkörper
aktiv mit und bleib mit der Hüfte verbunden.
3. Zu steiles Paddelblatt
Wenn das Blatt zu senkrecht steht, schneidet es durchs Wasser,
anstatt Druck aufzubauen. Der Schlag wird unruhig und
unkontrollierbar. Das Blatt sollte flach geführt werden – fast
wie ein Scheibenwischer.
4. Zu viel Vorlage oder Stütze
Viele lehnen sich während des Bogenschlags zu stark nach außen.
Das führt dazu, dass du unbewusst eine Stützbewegung einbaust –
und dabei Drehmoment verlierst. Bleib zentriert über dem Boot,
mit leichtem Druck zur Schlagseite.
Körperverkettung – die unsichtbare Verbindung
Einer der spannendsten Aspekte des Bogenschlags ist die
sogenannte Körperverkettung – die Verbindung von Paddel, Arm,
Schulter, Rumpf, Hüfte, Beinen und Boot.
Wenn du dein Paddel ins Wasser setzt, drückst du dich über das
Blatt vom Wasser ab. Diese Kraft wird durch deinen gesamten
Körper übertragen – und genau das lässt dein Boot drehen. Wenn
irgendwo in dieser Kette ein Glied locker ist, verpufft die
Energie.
Typische Schwachstellen sind: ein zu lockerer Sitz im Boot,
wodurch die Hüfte nicht mitarbeitet, fehlende Rumpfdrehung – der
Oberkörper bleibt starr, oder zu viel Fokus auf den Arm, zu
wenig auf den Körper.
Ein tolles Trocken-Training: Setz dich mit deinem Packraft auf
eine glatte Fläche und lass einen Partner dein Paddelblatt
festhalten. Versuch nun, den Bogenschlag auszuführen. Wenn du
ihn richtig machst, spürst du, wie dein ganzer Körper arbeitet –
von den Schultern bis in die Beine. Diese Übung zeigt dir
sofort, ob deine Körperverkettung funktioniert.
Rückwärts auf Null – der Bogenschlag rückwärts im Detail
Der Rückwärts-Bogenschlag ist sozusagen das Gegenstück zum
normalen Bogenschlag. Er wirkt ähnlich, aber die Dynamik ist
anders: Du drehst das Boot schnell, verlierst aber fast alle
Geschwindigkeit.
|
Der Bogenschlag rückwärts ist auch im Wildwasser
nützlich. Hinweis zum Bild: Im Wildwasser empfehlen
wir das Tragen einer Schaumstoffweste.
|
Anwendungssituationen:
Wenn du in starker Strömung schnell die Richtung ändern musst,
wenn du in ein Kehrwasser rückwärts einfahren oder aus einem
herausdrehen willst, oder wenn du dich in der Strömung
versehentlich querstellst und das Boot wieder ausrichten willst.
Technik:
Tauche das Paddel hinter dir möglichst weit am Heck ein, mit
fast gestrecktem Arm. Dein Oberkörper dreht nach hinten, die
Schulter folgt der Bewegung. Dann drückst du das Blatt
bogenförmig nach vorne – vom Heck bis etwa auf Hüfthöhe. Der Zug
sollte kontrolliert, aber kräftig sein. Achte darauf, dass du
das Paddelblatt senkrecht hältst, damit es effektiv greift.
Auch hier gilt: Der Oberkörper dreht mit, der Arm bleibt
gestreckt, und die Kraftübertragung läuft über den ganzen
Körper. Wenn du das sauber machst, spürst du, wie das Packraft
unter dir fast augenblicklich auf Kursänderungen reagiert.
Bogenschlag im Wildwasser – Dynamik, Kontrolle und Timing
Im Wildwasser bekommt der Bogenschlag eine neue Dimension. Hier
geht es nicht mehr nur um Drehung, sondern um präzises Timing in
bewegtem Wasser. Die Strömung hilft oder behindert dich, je
nachdem, wann du den Schlag setzt.
 |
| Beim Bogenschlag im Wildwasser kommt es auf Timing und Kontrolle an. |
Beim Einfahren in ein Kehrwasser solltest du den Bogenschlag auf
der Innenseite setzen – also auf der Seite, in die du eindrehen
willst. So nutzt du den Druck der Strömung für die Drehung.
Beim Verlassen des Kehrwassers funktioniert es umgekehrt: Schlag
auf der Außenseite, um dein Boot wieder in die Hauptströmung zu
drehen.
In beiden Fällen gilt: Der Schlag muss frühzeitig beginnen,
damit du das Boot stabil und fließend steuerst. Zu spätes
Einsetzen führt oft dazu, dass du übersteuerst oder das
Gleichgewicht verlierst.
Training und Selbstkontrolle
Der Bogenschlag sieht auf dem Papier einfach aus – in der Praxis
ist er ein kleiner Balanceakt aus Timing, Kraft, Gefühl und
Wasserlesen. Um ihn wirklich zu beherrschen, hilft nur eines:
üben, üben, üben.
Trainingsideen:
Flachwasserübungen: Übe die Bewegung auf ruhigem Wasser. Achte
auf sauberen Bewegungsablauf und stabile Körperhaltung.
Bojen-Slalom: Stell Bojen oder Stöcke auf und versuche, sie nur
mit Bogenschlägen zu umrunden – vorwärts und rückwärts.
Kehrwasser-Drills: Wähle ein einfaches Kehrwasser und übe das
Einfahren mit unterschiedlichen Schlagwinkeln.
Kombinationsschläge: Verbinde Bogenschlag und Ziehschlag – so
entwickelst du ein Gefühl für Übergänge zwischen Drehung und
Stütze.
Ein Trainingspartner mit einem guten Auge kann Gold wert sein:
Oft sieht man die eigenen Fehler nicht – jemand von außen schon.
 |
| Ab auf's Wasser und üben, üben, üben! |
Fazit – Kleine Bewegung, große Wirkung
Der Bogenschlag ist weit mehr als eine einfache Drehbewegung. Er
ist die Grundlage für präzise Bootskontrolle, saubere Linien und
effizientes Fahren. Richtig ausgeführt, verbindet er Kraft,
Technik und Gefühl in einer einzigen fließenden Bewegung.
Ob du auf ruhigem Wasser unterwegs bist oder durch wild
schäumende Kehrwasser spielst – dieser Schlag entscheidet oft
darüber, ob du dein Boot führst oder dein Boot dich.
Also: Packraft aufs Wasser, Paddel ins Wasser, Drehmoment an –
und fühl, wie viel Kontrolle in einem einzigen Schlag steckt.
Credits
Der Beitrag ist in Bestandteilen angelehnt an einen Artikel vom
Jan Kellner im Kanumagazin 1/97. Herzlichen Dank für die Nutzung
des Quellenmaterials.