Suchbegriff eingeben

Patagonien reloaded, Interview mit Tobias Schorcht

Tobias ist kein Unbekannter hier im Blog. Vergangenes Jahr hat er uns seine Tour (und Ausrüstung) in Patagonien vorgestellt, welche über 2000 km den Greater Patagonia Trails (GPT) bis nach Villa O’Higgins folgte. Dieses Jahr setzte er die Route bis ans südliche Ende des Netzwerks nahe Punta Arenas fort. Damit ist ihm eine nahezu komplette Solo-Durchquerung Patagoniens gelungen.

Im Anschluss hat er sich mit seiner Partnerin für eine Packrafting-Runde im Norden Patagoniens getroffen, was auch einen Wechsel des Packraft-Modells zur Folge hatte. Um diese Erfahrungen geht es in folgendem Interview.


Tobias, nach Abschluss deiner Solo-Tour im südlichen Patagonien hast du mit deiner Partnerin den Norden bereist. War das im Vergleich wie Urlaub?

Im Grunde ja, und das sollte es auch sein. Die letzten Etappen meiner Solo-Tour der waren sehr fokussiert und dicht getaktet. So ein Programm wollte ich uns nicht zumuten. Aber die Umstellung hin zu mehr "Packrafting-Urlaub" fiel mir nicht ganz leicht. Nach etwa einer Woche haben wir unseren Rhythmus gefunden. Etwas länger schlafen, kürzere Tagesetappen und ein paar mehr Pausentage. Aktiv, aber erholsam. Das Sahne-Häubchen meiner spektakulären Zeit in Patagonien!

Der Norden Patagoniens wie aus dem Bilderbuch. Lieblich und spektakulär.

Wo genau habt ihr euch getroffen und warum dort?

Wir haben uns in Puerto Montt (Chile) getroffen, also im Norden Patagoniens. Mara ist nach Santiago geflogen und dann weiter mit dem Bus gefahren und ich kam aus Punta Arenas, also von Süden. Wir wollten uns auf den Norden Patagoniens konzentrieren, da es dort klimatisch gesehen günstiger ist und auch geeignetere Flüsse fließen. In den touristischen Hochburgen wie El Chaltén (Argentinien) oder dem Torres del Paine Nationalpark ist das Paddeln auch nicht gestattet. 

Unsere Packrafting Runde durch Chile und Argentinien.

Wie sah eure Route aus? Ging der Plan auf?

Wir haben uns gemeinsam eine Packrafting-Runde durch die Region “Los Lagos” (Chile) sowie die Nationalparks “Río Puelo” und “Los Alerces” in Argentinien zusammengestellt. Wir wollten uns sowohl erholen als auch Abenteuer erleben. Diese Ziele haben wir auf jeden Fall erreicht. Die Tour war abwechslungsreich und gespickt mit tollen Erlebnissen.

Unterwegs auf dem breiten Strom des Río Yelcho (Wildwasser 1-2). 

Wie sahen ein typischer Tagesablauf und die Distanzen aus? 

Wir sind um 8 Uhr mit der Sonne aufgestanden und nach einem Frühstück losgewandert bzw. gepaddelt. Tagsüber haben wir mindestens zwei Pausen gemacht und oft gebadet. Zwischen 17-18 Uhr wurde das Nachtlager errichtet. Die Streckenlängen waren aufgrund des Geländes und der Strömungsgeschwindigkeiten der Flüsse sehr verschieden und uns auch relativ egal. Wir hatten immer genügend zu Essen. Am Wegesrand gab es viel Obst und hin und wieder gab es einen selbst geangelten Fisch. Wenn die Regeln der jeweiligen Region es zuließen, saßen wir dann abends am Lagerfeuer und haben in die Sterne geschaut. 

Heute gibt es gegrillte Forelle mit Reis (Topf im Hintergrund).

Auf deinen Solo-Touren hast du dem ultraleichten Anfibio Delta MX vertraut. Für die Tour zu zweit kam das große Omega C2+ zum Einsatz. War das Modell für deine Verhältnisse nicht überdimensioniert?

Überhaupt nicht. Das Boot hat zusammengerollt nicht wesentlich mehr Platz auf meinem Rucksack eingenommen als zuvor der Einer. Das Omega C2+ ist ebenfalls minimalistisch, da es weder Spritzdecke noch TubeBags besitzt. Hätten wir stattdessen zwei Delta MX inklusive Doppelpaddeln verwendet, hätte das vom Gewichts nichts eingespart. Aber das Omega C2+ ist deutlich schneller (da länger) und auch der Einsatz des Segels ist geht besser.

Ein Omega C2+ mit Multipaddel wiegt 5,7 kg (4,5 kg + 1,2 kg), was exakt zwei Delta MX inkl. Paddeln entspricht: 2 x (1,9 kg + 0,9 kg) = 5,7 kg.

Du bist erstmals im Zweier-Packraft unterwegs gewesen. Wer war der (heimliche) Chef im Boot? 

Im Boot war ich der Chef! Diese Rolle bekommt man schließlich nicht immer. Also im Ernst, natürlich war ich mit den örtlichen Gegebenheiten (Wind, Wellen, Gezeiten) eher vertraut und hatte auch etwas mehr Wildwassererfahrung. Mara konnte sich dabei auf mich verlassen, wir haben jedoch vor allem gut als Team funktioniert. 


Was findet ihr - bei gleichem Gesamtgewicht besser- zwei Einer oder ein Zweier?

Für eine reine Wildwassertour wären zwei Einer besser, aber ansonsten bevorzuge ich den Zweier. Der ist nicht nur schneller, sondern auch viel besser für das Segeln geeignet. Außerdem wollten wir ja gemeinsam Zeit verbringen. Da ist ein Boot schöner. 

Mit perfektem Rückenwind segeln wir über den Lago Inferior. Im Zweier macht das Segeln richtig Spaß!

Was hat euch am Omega C2+ gefallen, und was nicht? Habt ihr Tipps zur Nutzung?

Das Boot ist in 5 Minuten aufgebaut und zahlreiche Schlaufen, um das Gepäck flexibel anzubringen. Wir haben die Rucksäcke einfach vorn und hinten festgebunden. Wir waren auch überrascht, wie robust das Teil ist. Wir sind über einige Steine und Äste geschrammt, aber das Boot sieht aus wie neu. Die Position der Sitze lässt sich flexibel verstellen, sodass ich auch allein fahren kann. Wir haben das Paddel “Vertex Tour” verwendet, was sowohl als Stech- als auch als Doppelpaddel genutzt werden kann. Wenn die vordere Person Essen zubereitet oder Angeln will, kann die hintere Person trotzdem paddeln. Die türkise Farbe des Bootes hat auch super mit der Wasserfarbe harmoniert ;). 

Der Río Ventisquero (Wildwasser 2-3) hat in den Abendstunden das meiste Wasser des Tages, da er von Gletschern gespeist wird.

Gab es sonst Probleme während der Tour? Was würdet ihr anders machen?

Größere Probleme gab es nicht, aber zwei Dinge fallen mir spontan ein. Unsere teuren Isomatten haben Luft gelassen und mussten ständig geflickt werden. Und beim Paddeln hingen wir einmal quer vor einem Baum. Aber die Situation war weit weniger gefährlich als jetzt vielleicht klingt und hat eher für Erheiterung gesorgt. 

Wo ist das Loch heute? Am Ende hatte die Isomatte über 20 Flicken.

Patagonien gilt als Sehnsuchtsziel schlecht hin. Zurecht?

Ja. Ohne Wenn und Aber. Mir sind wenige Orte auf der Welt bekannt, wo die Natur noch so intakt ist und wo ich die Zivilisation einfacher hinter mir lassen kann. Damit verbunden sind aber auch Herausforderungen. In Patagonien kommt bei einem Unfall kein Hubschrauber und Handyempfang ist eher die Ausnahme.


Wie gehst du mit diesem Wissen um?

Ich bereite mich gut auf die Etappen vor und habe die GPS-Tracks auf mindestens 2 Geräten dabei. Außerdem nutze ich die Garmin Inreach Technologie, um mir über Satellit Wetterdaten einzuholen und jederzeit Nachrichten senden zu können. Spezielle Hinweise zum Paddeln habe ich im ersten Eintrag (siehe unten) zusammengefasst.

Beim Paddeln im Fjord ist aufgrund von Wind, Wellen und Gezeiten besondere Vorsicht geboten.

Wann ist die beste Reisezeit?

Die Saison geht von November bis April. In der Hochsaison (Januar und Februar) ist es punktuell recht voll, da die Chilenen und Argentinier Urlaub haben. Davor oder danach ist das Reisen einfacher, weil man auch ohne Reservierung schöne Unterkünfte findet und in den Nationalparks seine Ruhe hat.


Welche drei Tipps würdest du an Leute geben, die Patagonien bereisen möchten?

  1. Nehmt euch mindestens einen Monat Zeit.
  2. Meidet die touristischen Hotspots wie z.B. den Torres del Paine Nationalpark und erkundet die Regionen, über die ihr im Netz wenig Infos findet.
  3. Lernt vorher etwas Spanisch, damit ihr mit den Menschen vor Ort sprechen könnt.


Letzte Frage: Was waren eure besonderen Momente auf der Tour?

1. Wir haben einen Bauern getroffen, der kurz zuvor einen Puma erschossen hat und uns den Schädel und das Fell des Tieres zeigte. Pumas stehen unter Schutz, weshalb der Abschuss eigentlich illegal ist. Zuvor hatte der Puma die halbe Schafherde getötet. Der Bauer war ziemlich alt und konnte kaum noch laufen. Was hätte er anderes tun können?

Der Schädel eines getöteten Pumas. Pumas können in Schafherden große Schäden anrichten, stehen aber unter Naturschutz.

2. Über den Fjord erreichen wir eine natürliche heiße Quelle, die vom Besitzer in kleine Steinpools eingefasst wurde. Wir liegen bis in die Nacht stundenlang im heißen Wasser, trinken chilenischen Rotwein und schauen in den gigantischen Sternenhimmel.

3. Der Río Yelcho mäandert komplett unverbaut mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Meer. Ohne viele Paddelschläge gleiten wir über das türkisblaue Wasser, entdecken Vögel in der dichten Ufervegetation und werden von den gletscherbedeckten Bergen in Richtung Fjord eskortiert.


Tobias erster Beitrag

Tobias eigener Blog

Einer Packraft Anfibio Delta MX

Zweier Packrafts Anfibio Omege C2

Tag